Am 17. und 18. April 1521, stand Martin Luther vor dem Reichstag zu Worms, wo er sich für seine Schriften verantworten musste. Dieser Reichstag, der am 27. Januar 1521 in Worms eröffnet wurde und am 26. Mai mit dem Reichstagsabschied endete, war für die deutschen Fürsten und Stände die erste Gelegenheit, ihren jugendlichen Kaiser kennen zu lernen. Karl V., geboren am 24. Februar 1500, war erst am 23. Oktober 1520 im Aachener Dom gekrönt worden und nun erstmalig als Kaiser auf einem Reichstag anwesend.

Er, der dem sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen zu einem nicht unwesentlichen Teil seine Krone verdankte, hatte den Kurfürsten angewiesen, Martin Luther mit zum Reichstag zu bringen. Diesem wurden kaiserlicher Schutz und eine freie Besprechung der strittigen Punkte mit kompetenten Personen zugesagt. Luther war bereit, vor dem Kaiser zu erscheinen. Doch der päpstliche Legat Aleander, wohl wissend, dass eine Untersuchung zu einem Fall, in dem der Papst bereits das Verdammungsurteil gesprochen hatte, eine Geringschätzung der Autorität des Papstes bedeutete, tat sein Möglichstes, um Luthers Erscheinen in Worms zu verhindern. Aber all seinen Bemühungen zum Trotz wurde Luther schließlich vorgeladen. Der Herold Kaspar Sturm überbrachte den kaiserlichen Befehl und geleitete Luther im April 1521 nach Worms.

Doch selbst danach gab es Bestrebungen, das Erscheinen Luthers auf dem Reichstag zu verhindern – nicht nur von Seiten der Feinde Luthers, die ihm Angebote machten, den Streit anderswo beizulegen, sondern auch von seinen Freunden, die um seine Sicherheit bangten. Luther jedoch durchschaute die Situation. Er erkannte, dass sein Erscheinen auf dem Reichstag der Sache der Wahrheit förderlich sein würde und war bereit, zu gehen, koste es was es wolle.

Am 16. April 1521 erreichte Luther die Stadt Worms. Sein Erscheinen erregte die Neugier und Aufmerksamkeit aller Volksschichten. Nicht einmal der Kaiser konnte sich rühmen, von so vielen Menschen empfangen worden zu sein. Die Leute strömten auf die Straßen, um den Mönch zu sehen, der es wagte, sich der Autorität des Papstes zu widersetzen.

Am folgenden Tag, dem 17. April, geleitete man Luther vor den Reichstag. Dort wurde er zum Widerruf aufgefordert. Statt jedoch sofort zu antworten, erbat er sich eine eintägige Bedenkzeit, die ihm auch gewährt wurde. Seine Rede, die er am 18. April sowohl auf Deutsch als auch in Latein hielt, erregte nicht nur die Bewunderung seiner Anhänger. Selbst der Kaiser war beeindruckt von seiner Unerschrockenheit. Doch an seiner Entscheidung änderte dies nichts. Am Tag nach Luthers Rede gab Karl V. dem Reichstag in Form einer handschriftlichen Notiz zu verstehen, wie er in Luthers Fall vorzugehen gedachte. Er machte deutlich, dass er gemäß der Tradition seiner Vorfahren ein Förderer und Unterstützer der römisch-katholischen Kirche bleiben wolle und Luther wie einen Ketzer behandeln werde.

»Sie wissen, dass ich von den allerchristlichsten Kaisern der edlen deutschen Nation abstamme, von den Königen Spaniens, den Erzherzögen Österreichs und den Herzögen Burgunds. Sie alle waren bis zu ihrem Tod treue Söhne der römisch-katholischen Kirche, Verteidiger des katholischen Glaubens, der heiligen Zeremonien, Dekrete, Beschlüsse und heiligen Bräuche zur Ehre Gottes, der Verbreitung des Glaubens und dem Heil der Seelen. Nach ihrem Dahinscheiden sind uns gleichsam als natürlichem Recht und Erbe die besagten heiligen katholischen Satzungen überlassen wurden, um dafür zu leben und zu sterben, nach ihrem Vorbild; und als wahre Nachahmer dieser unserer Vorfahren haben wir durch die Gnade Gottes bis heute gelebt. Aus diesem Grund bin ich fest entschlossen, alles zu bewahren, was meine besagten Vorfahren und ich gehalten haben bis zum heutigen Tag; insbesondere, das, was von meinen Vorfahren beschlossen wurde auf dem Konzil von Konstanz und anderen. Denn es ist sicher, dass ein einziger Bruder in seiner Meinung irrt, die gegen die gesamte Christenheit steht, von vor mehr als tausend Jahren bis heute. Gemäß dieser Meinung befände sich die ganze Christenheit im Irrtum und wäre es schon immer gewesen. Deshalb bin ich fest entschlossen, hierfür meine Königreiche und Lehnsherrschaften, meine Freunde, meinen Körper, mein Blut, mein Leben und meine Seele einzusetzen … Ich gebiete, dass er unverzüglich nach der Vorschrift des Befehls heimgeleitet werde, gemäß dem Wortlaut des freien Geleits, ohne dem Volk zu predigen oder es zu ermahnen mit seiner falschen Lehre, und ohne Aufruhr zu erregen. Und wie ich es euch bereits gesagt habe, bin ich entschieden, gegen ihn wie gegen einen offenkundigen Ketzer vorzugehen und ersuche euch, dass ihr euch in dieser Sache als gute Christen erklärt und dementsprechend handelt und auch gemäß dem, was ihr mir versprochen habt. Eigenhändig geschrieben am 19. April 1521. Gezeichnet: Karl.« (Übers. aus dem Französischen: Tina Eißner)

Diese Notiz, handschriftlich und auf Französisch abgefasst, kann man in den Deutschen Reichstagsakten. Jüngere Reihe. Band 2, auf den Seiten 595 bis 596 nachlesen [1]. Sie kommt einer Regierungserklärung gleich, die der Kaiser auch allen Widerständen zum Trotz bis zu seinem Tode verfolgt hat.

Doch noch gaben Luthers Feinde nicht auf. Nach dem Verhör vom 17. und 18. April gab es weitere Vermittlungsversuche, die ihn zum Einlenken und Widerruf bewegen sollten. Als sich seine Widersacher jedoch überzeugt hatten, dass weitere Gespräche fruchtlos seien, wurde Luther am 25. April dazu aufgefordert abzureisen, was dieser dann auch am 26. April 1521 tat.

Tina Eißner


Quellen

[1] Historische Kommission der königlichen Akademie der Wissenschaften (Hg.): Deutsche Reichstagsakten. Jüngere Reihe. Bd.2. Bearbeitet von Adolf Wrede, Friedrich Andreas, Gotha 1896, S. 595f.